Wir InHAUSer: Leistbares Wohnen dank Sanierung
Wie eine typische Wohnanlage aus den 80er Jahren nicht abgerissen, sondern zum europäischen Leuchtturm für klimaschonendes und leistbares Wohnen wurde.
Eine Wohnsiedlung aus den 80er Jahren in der Stadt Salzburg stand kurz vor dem Abriss. Kaputte Dächer und Balkone, Schimmel in den Wohnungen, eine völlig überalterte Gasheizungsanlage und hohe Energieverluste plagten die Bewohner:innen der 75 Mietwohnungen. Die Stadt Salzburg und der gemeinnützige Wohnbauträger Heimat Österreich entschieden gemeinsam mit einem Team aus Expert:innen, sich der Herausforderung zu stellen. Das Ziel: Eine moderne Wohnanlage zu entwickeln, die einerseits leistbaren Wohnraum bietet, aber auch die Pariser Klimaschutzziele erfüllt. Das SIR koordinierte, begleitete und moderierte diesen Prozess über zehn Jahre lang.
Bestand nutzen
Anstatt die Häuser abzureißen, wurden ein Modernisierungskonzept entwickelt, der Bestand an aktuelle Bedürfnisse angepasst und durch Aufstockung 24 zusätzliche Wohnungen geschaffen. Die zentralen Herausforderungen bestanden darin, Ersatzquartiere für die 150 Bewohner:innen für die Zeit der Bauphase zu finden und ein Sanierungskonzept zu entwickeln, das sowohl den Klimaschutzanforderungen entspricht, als auch in Zukunft leistbares Wohnen möglich macht.
Dazu wurden sämtliche Maßnahmen in den Bereichen graue Energie (Baustoffe, Materialien, Aufbauten etc.), Betriebsenergie (Strom, Heizung, Warmwasser) und Alltagsmobilität hinsichtlich Kosten und ökologischen Nutzen abgewogen. Auf Basis dieser Abwägung von vielen einzelnen Puzzleteilen konnte am Ende ein großes Ganzes entstehen, das zeitgemäßes Wohnen zu angemessenen Mietkonditionen und Klimaschutz in Einklang bringen.
Innovative Kernstücke des Projekts sind der langjährige kooperative Projektentwicklungs- und Planungsprozess, die Umsetzung einer Nachverdichtung von bestehenden Gebäuden in Holzbauweise mit ökologischer Zellulosedämmung und einer neuartigen Abwasserwärmerückgewinnungsanlage die in diesem Umfang erstmals in Europa umgesetzt wurde. Sämtliche Wärme wird recycelt und wiederverwendet. Dazu kommt ein alternatives Mobilitätskonzept als wichtiger Baustein einer städtischen Mobilitätswende.
Klimafreundliche Lösungen
Durch die effiziente Gebäudehülle und das nachhaltige Energiekonzept, bei dem ein vormals fossiles System mit einer 100% erneuerbaren Lösung ersetzt wurde, sparen die Mieter:innen zusätzlich auch Energiekosten. Bei der Energieplanung wurde der Fokus von Anfang an auf die Rückgewinnung der nicht vermeidbaren, nutzungsabhängigen Energieverluste gelegt: Abluft und Abwasser.
Die bauphysikalische Qualität von Wohngebäuden steigt, womit Wärmeverluste durch Fassade, Fenster oder Wärmebrücken abnehmen. Die Warmwasserbereitung hingegen benötigt Energie, unabhängig von den baulichen Gegebenheiten. Bei diesem Bauvorhaben galt es nun, diese letzte große Lücke zu schließen. Häusliches Abwasser beinhaltet ganzjährig ein enormes Energiepotenzial, das im Wohnbau völlig ungenutzt ins öffentliche Kanalsystem entsorgt wird. Ebenso hat genutzte Raumluft noch thermisches Potenzial, das verwertet werden kann.
Durch dieses System entsteht ein lokaler Kreislauf, der eigens gewonnene Energie so lange wie möglich innerhalb der Siedlung behält und so wenig hochwertige Wärme wie möglich an die Umgebung abgibt.
Entscheidend für die Umsetzung der vielen technischen Innovationen war jedoch die soziale Begleitung. Es brauchte sehr gute Argumente und entsprechende Hilfestellungen, damit die Bewohner:innen auch bereit waren, die Eingriffe in ihren privaten individuellen und gewohnten Lebensraum zuzulassen.
Ausgezeichnetes Projekt
Der Erfolg des Projekts „Wir InHAUSer“ zeigt sich nicht nur in den vielen Auszeichnungen – unter anderem mit dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit – sondern auch in der Zufriedenheit der Bewohner:innen. Nach der mehrjährigen Projektphase ist die Wohnanlage seit 2022 wieder voll in Betrieb und wurde bereits ausführlich getestet. Auf Basis von Zufriedenheitserhebungen und Monitoringdaten kann heute behauptet werden: Das Konzept funktioniert! 71 Prozent der Bewohner:innen fühlen sich in ihren neuen Wohnungen sehr zuhause, 27 Prozent gaben sogar an, noch nie so schön gewohnt zu haben. Außerdem wurde leistbarer Wohnraum für zusätzliche 50 Personen geschaffen. Die Mietpreise liegen dank des österreichischen Systems der Wohnungsgemeinnützigkeit und der Wohnbauförderung bei diesem Projekt bei der Hälfte der durchschnittlichen Angebote am freien Markt.
Rosemarie Fuchshofer hat das Projekt viele Jahre begleitet und beschreibt die Situation folgendermaßen: Tausende von Arbeitsstunden sind in das Projekt von der Idee bis zur abgeschlossenen Realisierung geflossen. Viele kluge Köpfe haben sich daran abgearbeitet, viele fleißige Hände die Ideen umgesetzt. Es wurde – das zeigen die vielen Auszeichnungen des Projekts – ein Musterschüler auf den Weg geschickt.
Fotos: Christof Reich